Seine Eingewöhnung - Deine Chance
Georg Lenz • 18. April 2024
Meine Mutter mit meiner drei Jahre jungen Schwester auf dem Arm und ich als ruhiger Fünfjähriger wagen uns aus der Haustür. Draußen ist es alles andere als ruhig.
Es ist ca. -30°C kalt. Auch ohne die Dunkelheit der Polarnacht, können wir kaum etwas sehen. Der tobende Schneesturm zwingt uns dazu, die Augen so zuzukneifen, dass wir kaum erkennen können, wohin wir gehen. Wir pressen uns entlang der Hauswand, um bei dieser Windstärke überhaupt vorankommen zu können.
Wir wollen in den Kindergarten. Der gesamte Weg dorthin könnte wirklich nicht kürzer sein. Wir müssen nur einmal und die Ecke unseres Hauses und schon wären wir da. Doch an diesem naturgewaltigen Morgen ist dieser Katzensprung für mich eine schonungslos anhaltende Prüfung.
Dann ist die rettende Hauswand zu Ende. Kurz müssen wir ihren Schutz verlassen, um zum Kindergarteneingang zu gelangen. Ich muss mich mit ganzer Kraft gegen den Wind stemmen und rutsche trotzdem, teils auf allen Vieren, immer wieder zurück.
Dieser im Gesicht stechende, laut heulende Wind.
Er hindert mich ernsthaft am Atmen.
Meine Mutter erreicht mit uns schließlich die Eingangstür des Kindergartens und es ist von jetzt auf nachher einfach vorbei. Ganz selbstverständlich ziehe ich mich aus und gehe in die Gruppe voller unbeeindruckter Kinder.

Das klingt dramatisch und für mich war es das in diesem Moment auch. Ich habe darüber aber nicht nachgedacht und kämpfte mich einfach durch. Ich weiß nicht, ob unsere Mutter darüber nachdachte, oder sich in dem Moment groß sorgte. Auf mich strahlte sie jedenfalls eine so stoische Ruhe und Zielsicherheit aus, dass es mir in einer irrwitzigen Ecke meines Selbst sogar irgendwie Spaß gemacht hat, gegen die Naturgewalt zu bestehen.
Deine Haltung in der Eingewöhnung
In der Eingewöhnung erlebe ich immer wieder, wie absolut ausschlaggebend die Haltung der Eltern ist. Sie wirkt sich unweigerlich auf die Verfassung ihres Kindes aus.
Und es ist nicht tragisch, wenn du dich unsicher fühlst. Wenn du nicht weißt, ob du es richtig machst. Auch Ängste dürfen angenommen werden, denn sie sind wichtige Wegweiser auf deinem Weg als Elternteil.
Wichtig ist nur, dass du dich damit auseinandersetzt. Das ist die Haltung, von der ich spreche.
Der Eingewöhnungsprozess gibt dir die Chance, etwas zu spüren, was unter Umständen noch nicht ausreichend verarbeitet wurde. Es können Erfahrungen sein, die in deiner eigenen Kindheit liegen. Oft sind das Glaubenssätze, mit denen du aufgewachsen bist. Auch das Einordnen mancher Beziehungen, die dein inneres Kind oft mehr oder weniger überfordern, beeinflusst dich.
Nimm diese Chance an, damit dein Kind sich so unbeschwert und frei wie nur irgendwie möglich entfalten kann. Damit dein Kind nicht unbewusst zum Objekt der Bedürfniserfüllung deines verunsicherten oder verletzten inneren Kindes wird.
Löse dich von deiner vermeintlich schützenden Wand, damit dein Kind seine Freiheit ausleben kann.
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Der Begriff „Rückschritt“ fällt im Zusammenhang mit der Eingewöhnung in den Kindergarten oft, wenn Kinder nach einer Phase des Wohlfühlens plötzlich wieder vermehrt nach Nähe und Sicherheit suchen. Eltern und Erzieherinnen stellen sich dann die Frage, ob etwas schiefgelaufen ist, ob das Kind vielleicht nicht bereit für den Kindergarten ist oder ob der Übergang ins neue Umfeld zu früh erfolgte. Doch dieser Gedanke ist nicht nur veraltet, sondern auch wenig hilfreich.

Manchmal sitze ich da und überlege mir, worüber ich schreiben kann. Mir kommen alle möglichen Themen in den Sinn. So wie jetzt. Eins davon fühlt sich gerade ganz authentisch an, also formuliere ich eine Überschrift. Jaaa, das klingt gut, denke ich mir. Das kennen sicher viele Eltern, worüber es unter dieser Überschrift gehen wird. Ich fange an, im Kopf Sätze zu bilden. Ich mag es, wenn sie so richtig wohlgeformt sind und nach was klingen (ja, in diesem Artikel wird das Wörtchen “ich” wohl öfter vorkommen).

Immer wieder lese ich in Konzeptionen und Ratgebern das Wort "übernehmen" - die Fachkräfte übernehmen mehr und mehr die Betreuung des Kindes. Genau da muss das Umdenken stattfinden, sowohl bei den Fachkräften als auch bei den Eltern. Und schon ist das Geheimnis gelüftet. Die Eingewöhnungsphase im Kindergarten markiert einen bedeutsamen Meilenstein für Kinder und Eltern gleichermaßen. Eine aktive Übergabe der Beziehungsgestaltung durch die Eltern spielt dabei nicht nur eine entscheidende Rolle für einen gelungenen Start. Sie beeinflusst ebenso den Gesamtverlauf der Kindergartenzeit.